Mister Woodland und Marina Kollmitz

Video zum Entstehungsprozess mit Marina Kollmitz und Mr. Woodland

Bericht von Jürgen Reuss

„Komplexität in drei Sekunden verständlich machen“, ist für Streetart-Künstler Mr. Woodland eine wichtige Grundüberlegung, wenn er sich an die Ausführung seiner Wandbilder macht. Diese selbstgewählte Vorgabe hat er in seinem jüngsten Werk an der Schnewlinstraße geradezu vorbildlich umgesetzt. An der Eingangsfassade zu den Kellerclubs Crash und Drifter’s wird man nun vom freundlichen Blick einer älteren Dame im getupften Kostüm empfangen, die sich auf einen putzigen Robot stützt, der ein wenig an das pfeifende Droiden-Helferlein R2-D2 aus dem Star-Wars-Universum erinnert. Da wird tatsächlich auf den ersten Blick klar, worum es geht: die Zukunft der Pflege und den Einsatz hilfreicher, mittels künstlicher Intelligenz gesteuerter Pflegeroboter.

Genau daran forscht Woodlands Tandempartnerin bei der Stadtwandforschung Marina Kollmitz an der Freiburger Fakultät für autonome intelligente Systeme. Die Message von Woodlands Mural findet sie sehr sympathisch: „Es zeigt schön, wie wir uns Interaktionen zwischen Mensch und Roboter in Zukunft vorstellen: dass der Mensch sich auf den Roboter stützt, der auf ihn aufpasst und seine Vitalfunktionen checkt.“

Über die Gestaltung des Roboters gab es im Vorfeld intensive Diskussionen zwischen Woodland und Kollmitz. „Für mich ist er noch zu menschlich. Man muss aufpassen, dass Roboter durch ihr Äußeres nur Erwartungen wecken, die sie dann auch erfüllen können“, sagt Kollmitz. „Sieht er zu menschlich aus, wird erwartet, dass er auch menschlich reagiert und über menschliche Fähigkeiten verfügt. Kann er das nicht, sind die Menschen, die mit ihm interagieren, enttäuscht. Deshalb sehen Roboter in Krankenhäusern heute mehr wie Maschinen aus.“ Praktisch sähe so ein Roboter eher recht prosaisch wie eine Art Hi-Tech-Rollator aus.

Für Woodland war das keine Option: „Als Künstler musst du dich der Bildsprache bedienen, die für jeden relativ schnell ersichtlich ist.“ Aus den Gesprächen mit Kollmitz hat er jedoch mitgenommen, dass Menschen Künstliche Intelligenz in humanoider Gestalt leicht unheimlich wird. „Deshalb lächelt die Dame ganz entspannt und ist der Roboter bewusst verniedlicht dargestellt.“

Die ersten unmittelbaren Publikumsreaktionen scheinen ihm Recht zu geben: „Auf der Straßenseite gegenüber ist ein betreutes Wohnen“, erzählt Woodland, „da haben sich die Grannys auf ihren Rollstühlen und Rollatoren aufgereiht und mir Tag für Tag zugeschaut. Sie finden das Bild offenbar recht cool.“

Auch Marina Kollmitz hat sich mit Woodlands Darstellung angefreundet: „Woodys Wandgemälde ist eben eher ein Ausblick in die Zukunft, in der Roboter die Erwartungen, die ein humanoides Aussehen wecken, einmal erfüllen werden können.“

Das Sichtweisen auf seine Murals differieren können, ist Woodland nur Recht und entspricht seinem Stil: „In meinen Bildern liegen immer verschiedene Schichten übereinander, wie aus runtergerockten Plakatwände, an denen sich Realismus und Surrealismus mischen.“

Und die Freiburger*innen dürfen sich über die einladende Geste freuen, die die Fassade der Electro- und Metaller-Clubs nun an das betreute Wohnen auf der anderen Straßenseite hinüberschickt. Auch das ist durchaus eine realistisch-surrealistisch gemischte Anregung, über die Zukunft der Pflege nachzudenken.

Mr. Woodland

Mr. Woodland (aka Daniel Westermeier, geb. 1981 in Erding) sprühte sein erstes Bild 1993 unter dem Namen MONO. Seit 2004 nennt er sich Mr. Woodland und hat aufgehört, Buchstaben zu malen. Er widmet sich jetzt der figürlichen Darstellung, da diese seine Aussagen und Gedanken besser transportieren kann. 2012 begann er ein Grafikdesignstudium – der Beruf, den er eigentlich schon immer erlernen wollte – und absolvierte dieses als einer der besten seines Semesters. Als Künstler selbst ist Mr.Woodland Autodidakt.

»Meine Figuren erzählen immer etwas – der Ausdruck, die perfekt abgestimmten Farben und vor allem die Aussage dahinter sind mir sehr wichtig.« Seine meist in dunklen Farben gehaltenen Arbeiten sind inspiriert von klassischer Malerei, Grafikdesign und der Natur. Obwohl seine Wurzeln im klassischen Graffiti liegen, inspiriert ihn diese Kunstrichtung immer weniger. Seinen Stil beschreibt Mr. Woodland selbst als eine Kombination aus zeitgenössischer Malerei mit grafischen Fragmenten und Surrealismus. Er arbeitet mit Spraydose, Pinsel und Farbrolle. Dass Mr. Woodland das Reisen liebt, merkt man an den vielen Orten in ganz Europa, an denen man seine teils riesigen Wandbilder findet und an denen er ausstellt. Wer noch mehr über ihn erfahren möchte, findet eine schöne Zusammenfassung seines Werdegangs bei dem TV Sender ARTE unter: »5 Minutes with Mr.Woodland«.

Marina Kollmitz

Marina Kollmitz ist Ingenieurin und hat in Hannover bis 2015 Maschinenbau studiert. Seit 2015 ist sie Doktorandin am Lehrstuhl für Autonome Intelligente Systeme an der Universität Freiburg. In ihrer Forschung geht Marina Kollmitz der Frage nach, wie sich mobile Roboter in Umgebungen verhalten sollen, die auf Menschen ausgelegt sind und mit dem Menschen gemeinsam genutzt werden. Diese Umgebungen sind für Roboter anspruchsvoll, weil sie keiner klaren Struktur folgen und sich über die Zeit ändern können. Bei der autonomen Navigation unter Menschen müssen darüber hinaus die Sicherheit und das Wohlbefinden der Menschen sichergestellt werden. Roboter müssen das dynamische Verhalten der Menschen antizipieren und ihr eigenes Verhalten danach ausrichten. Serviceroboter müssen außerdem besondere Bedürfnisse der Menschen erkennen und darauf eingehen können. Deshalb forscht sie mit ihren Kollegen an der Erkennung von Menschen anhand ihrer Mobilitätshilfen, damit der Roboter Fußgänger von Rollstuhlfahrern und Menschen mit Gehhilfen oder Rollatoren unterscheiden kann.

Ein weiterer Aspekt ihrer Arbeit ist die physische Mensch-Roboter-Interaktion. »Wir haben am Lehrstuhl einen kraftsensitiven mobilen Roboter aufgebaut, der Berührungen auf sein Gehäuse wahrnehmen kann. Zum einen kann der Roboter Kollisionen mit Menschen, die in dynamischen Umgebungen nicht immer verhindert werden können, wahrnehmen und sie durch Ausweichen abdämpfen. Zum anderen können Menschen durch physische Interaktion intuitiv mit dem Roboter kommunizieren: Steht der Roboter ihnen beispielsweise im Weg oder kommt er ihnen zu nah, können sie ihn aus dem Weg schieben«, berichtet Kollmitz. Sie beschäftigt sich darüber hinaus mit der Frage, wie physischen Interaktion genutzt werden kann, um Robotern Navigationsverhalten, z.B. für den Menschen angenehme Interaktionsdistanzen, beizubringen.

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